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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 28/2011

Wann wird gegen Deutsch­land spe­ku­liert – keh­ren vor der eige­nen Haus­tür – wo liegt der Sys­tem­feh­ler? + BGH: Höhe­re Stra­fen bei Kar­tell­ver­stö­ßen + Som­mer­pau­se: Kla­re Vor­ga­ben für Aus­hil­fen + Vor­o­sicht: Ver­lust­ab­zug geht bei Umwand­lung ver­lo­ren (hier: kom­mu­na­le GmbH) + Geschäfts­füh­rer darf nicht schum­meln + Star­ker Geschäfts­füh­rer begrün­det Betriebs­auf­spal­tung + Mit­ar­bei­ter muss nicht Alles sagen 

The­men heu­te: Wann wird gegen Deutsch­land spe­ku­liert? – keh­ren vor der eige­nen Haus­tür – wo liegt der Sys­tem­feh­ler? + BGH: Höhe­re Stra­fen bei Kar­tell­ver­stö­ßen + Som­mer­pau­se: Kla­re Vor­ga­ben für Aus­hil­fen + Vor­sicht: Ver­lust­ab­zug geht bei Umwand­lung ver­lo­ren (hier: kom­mu­na­le GmbH) + Geschäfts­füh­rer darf nicht schum­meln + Star­ker Geschäfts­füh­rer begrün­det Betriebs­auf­spal­tung + Mit­ar­bei­ter muss nicht Alles sagen +  BISS  

 

 

28. KW 2011
Freitag, 15.7.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

kei­ner weiß, wie die Finan­zie­rungs­kri­sen der Län­der aus­ge­hen wer­den. Sicher ist, dass die Zah­len über Ver­schul­dun­gen in den EU-Staa­ten bis zu den USA beängs­ti­gen­de Dimen­sio­nen anneh­men. Trend: Wenn die Schul­den­staa­ten für neu­es Geld immer höhe­re Zin­sen zah­len müs­sen, beein­flusst das kurz-. mit­tel- und lang­fris­tig auch die Finanzierungs­konditionen für Unter­neh­men – und zwar für alle Unter­neh­men, gleich­gül­tig ob Groß‑, Klein- oder Kleinst­un­ter­neh­men. Deutsch­land wird da nicht außen vor blei­ben. Auch hier wird mit vol­len Hän­den Geld aus­ge­ge­ben, das nicht vor­han­den ist. Bei­spiel: Der flä­chen­de­cken­de behin­der­ten­ge­rech­te Aus­bau der Rat­häu­ser. Obli­ga­to­risch ist der Anbau von Fahr­stüh­len. Für klei­ne­re Gemein­den ist das in der Regel eine zusätz­li­che Inves­ti­ti­on in Höhe von 0,5 bis 1 Mio. €.

Nicht, dass wir uns falsch ver­ste­hen. Es geht nicht dar­um, Behin­der­te mit Bar­rie­ren aus­zu­gren­zen. Unter­neh­mer wür­den eine sol­che Fra­ge aber anders lösen, und zwar grund­sätz­lich anders unter Kos­ten­ge­sichts­punk­ten. Zum Bei­spiel: Mit der Ein­rich­tung eines bar­rie­re­frei­en Behör­den­rau­mes im Unter­ge­schoss, in dem der Behör­den­ver­tre­ter den Kun­den emp­fängt und den Vor­gang am PC abar­bei­tet. Statt der 5 Mrd. €, die für Fahr­stuhl­an­bau­ten von deutsch­land­weit 10.000 klei­ne­ren Gemein­den finan­ziert wer­den müs­sen, wür­de eine Inves­ti­ti­on von gera­de ein­mal 1 Mrd. € gut aus­rei­chen, um den glei­chen Zweck zu errei­chen. In der Ver­wal­tung plant man mit För­der­töp­fen. In der Pri­vat­wirt­schaft mit Inves­ti­tio­nen. Das ist der krea­ti­ve Unterschied.

ACHTUNG: BGH erhöht Strafen für (vermeintliche) Kartellabsprachen

Auch immer mehr mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men gera­ten in den Fokus der Kartell­behörden. Wir haben an die­ser Stel­le bereits mehr­fach auf sol­che Fäl­le hin­ge­wie­sen, in den die deut­schen oder die EU-Kar­tell­be­hör­den zum Teil mit aus­ge­spro­chen wacke­li­gen Begrün­dun­gen und Bewei­sen mil­lio­nen­schwe­re Stra­fen aus­ge­spro­chen haben (vgl. zuletzt Vol­kelt-Brief  Nr. 15/2011).

Dazu gibt es jetzt ein  neu­es Urteil des BGH, das zusätz­li­che Kos­ten für betrof­fe­ne Unter­neh­men brin­gen wird (Urteil vom 28.6.2011, KZR 75/10). Aus dem Urteil: „Kar­tell­teil­neh­mer haf­ten auch mit­tel­bar Geschä­dig­ten auf Scha­dens­er­satz“. Im Klar­text: In Zukunft wird man sich nach jedem kar­tell­recht­li­chen Ver­fah­ren auf zivil­recht­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprü­che der von den Preis­ab­spra­chen betrof­fe­nen Unter­neh­men ein­stel­len müs­sen. Euro­pa­weit täti­ge Unter­neh­men müs­sen in die­sem Zusam­men­hang zusätz­lich beach­ten, dass der­zeit die Mög­lich­keit von Sam­mel­kla­gen geschaf­fen wer­den. Dann sin­ken für den ein­zel­nen Geschä­dig­ten der mit einer Kla­ge ver­bun­de­ne Auf­wand und Kos­ten so stark, dass im Kar­tell­fall mit Mas­sen­kla­gen gerech­net wer­den muss.

Für die Pra­xis: Die Fol­gen die­ser Recht­spre­chung sind noch nicht abzu­se­hen. Exper­ten gehen davon aus, dass es mit der BGH-Begrün­dung in Zukunft mög­lich sein wird, dass es bei Kar­tell­ab­spra­chen bis zum End­ver­brau­cher mög­lich sein dürf­te, auf dem Kla­ge­weg Scha­dens­er­satz durch­zu­set­zen. Unter­neh­men, die in mono­po­len oder oli­go­po­len Markt­struk­tu­ren Geschäf­te machen, sind gut bera­ten, sich in Sachen Preis­ab­spra­chen und bereits bei Erfa-Bran­chen­tref­fen sehr zurück­hal­tend zu geben. Wich­tig ist, dass Sie Pro­to­kol­le sol­cher Ver­an­stal­tun­gen auf Rich­tig­keit prü­fen und kei­ne nicht auto­ri­sier­ten Unter­la­gen in Umlauf kommen.

Nutzen Sie die Sommerpause für die Mitarbeiter-Bindung – das FA macht mit

In vie­len Unter­neh­men geht es über die Som­mer­fe­ri­en etwas ruhi­ger zu. Das ist ein guter Anlass, um den Mit­ar­bei­tern auch ein­mal im pri­va­ten Rah­men „Dan­ke­schön“ zu sagen. Die so ange­bo­te­ne pri­va­te Nähe zur Unter­neh­mens­lei­tung wird von den meis­ten Mit­ar­bei­tern als gro­ße Aner­ken­nung und ech­te Wert­schät­zung emp­fun­den. An den Kos­ten dafür kön­nen Sie sogar das Finanz­amt betei­li­gen. So kann der ange­stell­te Geschäfts­füh­rer (Fremd-Geschäfts­füh­rer) die Kos­ten z. B. für ein Gar­ten­fest in sei­nem Pri­vat­haus steu­er­lich als Wer­bungs­kos­ten abset­zen. Voraus­setzungen für die steu­er­li­che Anerkennung:

  • Der ange­stell­te Geschäfts­füh­rer ohne eige­ne Betei­li­gung an der Fir­ma lädt aus­schließ­lich Ange­stell­te ein.
  • Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge der Mit­ar­bei­ter sind nicht gela­den und nicht anwesend.
  • Laut BFH kann zusätz­lich erheb­lich sein: Bezieht der Geschäfts­füh­rer neben sei­nem Fest­ge­halt eine Tan­tie­me (hier:  die Tan­tie­me macht 2/3 sei­ner Gesamt­be­zü­ge aus – also einen sehr hohen varia­blen Gehalts­anteil), dient die Fei­er zum Dienst­ju­bi­lä­um dem Erhalt der sehr hohen Tan­tie­me (so zuletzt BFH-Urteil vom 21.3.2007, VI R 25/03).

Für die Pra­xis: Wenn Sie Fir­men-Ange­stell­te in Ihre Pri­vat­räu­me ein­la­den, soll­ten Sie auf jeden Fall eine schrift­li­che Ein­la­dung ver­schi­cken. Nur so kön­nen Sie spä­ter dem Finanz­amt gegen­über den geschäft­li­chen Anlass bewei­sen. Aus der Ein­la­dung muss klar her­vor­ge­hen, dass nur Betriebs­an­ge­hö­ri­ge gela­den sind und dass es sich um einen geschäft­li­chen Anlass han­delt („anläss­lich mei­nes 25jährigen Dienst-Jubi­lä­ums“). Bezie­hen Sie Ihren Steu­er­be­ra­ter in die Pla­nun­gen ein.

Bundesfinanzhof beschränkt Verlustabzug bei Umwandlung einer kommunalen GmbH in eine Anstalt des Öffentlichen Rechts

Laut Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) geht der Ver­lust­über­trag (gemäß § 10 Abs. 2 EStG und § 8 KStG) beim Über­gang eines gewerb­li­chen Betrie­bes (hier: Abfall­wirt­schaft GmbH) in eine Anstalt des öffent­li­chen Rechts ver­lo­ren. Das ergibt sich aus den Vor­aus­set­zun­gen des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2009 (BFH, Urteil vom 12.1.2011, I R 112/09).

Für die Pra­xis: Fehl­ein­schät­zun­gen kön­nen also bares Geld kos­ten. Der Geschäfts­füh­rer einer kom­mu­na­len GmbH soll­te bei von den Trä­gern bzw. Anteils­eig­nern geplan­ten Umstruk­tu­rie­run­gen ggf. ein Steu­er­gut­ach­ten ein­ho­len und auf die Rechts­la­ge zum Ver­fall des Ver­lust­vor­tra­ges hin­wei­sen. Ggf. ist mit dem Steu­er­be­ra­ter zu prü­fen, ob der Ver­lust­vor­trag vor­ab ver­braucht wer­den kann, so dass kei­ne nach­tei­li­ge Steu­er­wir­kung eintritt.

Geschäftsführer darf nicht schummeln

Bei der Anmel­dung eines neu bestell­ten GmbH-Geschäfts­füh­rers zum Han­dels­re­gis­ter muss die­ser u. a. ver­si­chern, dass es inner­halb der letz­ten 5 Jah­re kei­ne Ver­ur­tei­lung wegen einer Wirt­schafts­straf­tat gab (vgl. dazu im Ein­zel­nen unter § 6 GmbH-Gesetz). Wich­tig: Ent­schei­dend für die 5‑Jahresfrist ist nicht das Datum der Urteils­ver­kün­dung, son­dern das Datum, in dem das Urteil rechts­kräf­tig wird (BGH, Urteil vom 7.6.2011, II ZB 24/10).

Für die Pra­xis: Wur­de z. B. Revi­si­on ein­ge­legt und wur­de das erst­in­stanz­li­che Urteil erst mit Ablauf des Revi­si­ons­ver­fah­rens rechts­kräf­tig, dann gilt die­ses Datum. Für den Geschäfts­füh­rer bedeu­tet das: Sie kön­nen davon aus­ge­hen, dass die Regis­ter­ge­rich­te bei Vor­lie­gen einer Straf­tat (Quel­le: Füh­rungs­zeug­nis) genau nach­prü­fen und die Fris­ten genau durch­rech­nen. Schum­meln geht also in der Regel nicht.

Geschäftsführerstellung kann Betriebsauspaltung begründen

Ist der das Betriebs­unternehmen beherr­schen­de Gesell­schaf­ter zugleich allei­ni­ger Geschäfts­führer des Besitz­un­ter­neh­men, so kann das eine sog. per­so­nel­le Ver­flech­tung sein – damit lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen für eine (gewer­be­steu­er­pflich­ti­ge) Betriebs­aufspaltung sein (FG Schles­wig-Hol­stein, Urteil vom 11.5.2011, 1 K 138/09). 

Für die Pra­xis: Die­ses Urteil öff­net dem Finanz­amt neue Mög­lich­kei­ten, Betriebs­auf­spal­tun­gen zu unter­stel­len. Im Urteils­fall ging es um eine Grund­stücks­ver­wal­tungs-GbR und eine Betriebs-GmbH, die Räu­me in einer GbR-Immo­bi­lie ange­mie­tet hat­te. Selbst bei nicht-iden­ti­schen Betei­li­gungs­ver­hält­nis­sen kann das Finanz­amt die Miet­ein­nah­men als gewer­be­steu­er­pflich­ti­ge Ein­ah­men qua­li­fi­zie­ren. Ent­schei­dend ist, dass der Geschäfts­füh­rer auf­grund sei­ner Allein­ver­tre­tungs­be­fug­nis maß­geb­li­chen Ein­fluss auf die Geschäfts der betei­lig­ten Unter­neh­men aus­üben kann.

Stellenbewerber muss nicht die Wahrheit sagen

Laut Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) kann der Arbeit­ge­ber bei der wahr­heits­wid­ri­gen Beant­wor­tung einer (zuläs­si­gen) Fra­ge im Bewer­bungs­ge­spräch die Ein­stel­lung nur dann anfech­ten, wenn genau die­se Fra­ge Grund für die Ein­stel­lung war (Urteil vom 7.7.2011, 7 ABR 135/09).

Für die Pra­xis: Im Urteil ging es um eine Schwer­be­hin­de­rung. Der Bewer­ber hat­te die Fra­ge danach falsch beant­wor­tet. Jah­re spä­ter woll­te der Arbeit­neh­mer gegen eine Abfin­dung aus­schei­den und infor­mier­te jetzt erst über sei­ne Schwer­be­hin­de­rung. Der Arbeit­ge­ber kün­dig­te frist­los wegen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Vor­sicht: Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die loka­len Arbeits­ge­rich­te in Zukunft der Auf­fas­sung des BAG fol­gen wer­den und nach­träg­li­che „Bekennt­nis­se zu Falsch­aus­sa­gen“ nicht mehr als Kün­di­gungs­grund aner­ken­nen werden.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief

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