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Volkelt-Brief 27/2013

Volkelt-BriefThe­men heu­te : Wirt­schafts­po­li­tik: Kos­ten über Kos­ten, kei­ne Ertrag für Unter­neh­men + Gesell­schafts­recht: Geschäfts­füh­rer soll­te – muss aber nicht – die Gesell­schaft­er­lis­te vor­le­gen + Geld/Finanzen: SEPA-Umstel­lungs-Risi­ken wer­den von vie­len Unter­neh­men unter­schätzt + Kon­flik­te in der GmbH: „Klein­ge­druck­tes“ bestimmt Gesell­schaf­ter-Rech­te + Betriebs­prü­fung: DR kün­digt ab 2014 noch mehr Prü­fun­gen für KSV-Bei­trä­ge an + Geschäfts­füh­rer pri­vat – Unfall ohne Fahr­rad­helm führt zu Mit­ver­schul­den + Wett­be­werb: Geld­bu­ße selbst nach juris­ti­scher Fach-Bera­tung ist nicht zu bean­stan­den + BISS

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 Nr. 27/2013 vom 5.7.2013

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

wer – knapp 100 Tage vor der Bun­des­tags­wahl – die Bericht­erstat­tung über die Par­tei-Pro­gram­me erfolgt, kommt aus dem Stau­nen kaum her­aus. Alles scheint mach­bar: Höhe­re Ren­ten und Min­dest­löh­ne, mehr Geld für KITAs und Bil­dung, für For­schung und sogar für die Unter­neh­men („fik­ti­ver Zins fürs Eigen­ka­pi­tal“). Von lee­ren Kas­sen, Spa­ren und Haus­halts­kon­so­li­die­rung ist kei­ne Rede.

Die Fakt sind: Alle die­se öffent­lich posaun­ten Maß­nah­men kos­ten viel Geld. Gleich­gül­tig, ob aus Bei­trä­gen zur Sozi­al­ver­si­che­rung, aus Steu­er­mit­teln oder aus Kre­di­ten: Immer wirkt sich das auf die Arbeits­kos­ten, die Wirt­schaft­lich­keit und Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Unter­neh­men aus. Und zwar auf die kleins­ten genau so wie auf mit­tel­gro­ße. Ledig­lich inter­na­tio­na­le Kon­zer­ne sind eini­ger­ma­ßen raus. Sie haben die Mög­lich­keit der Ver­la­ge­rung an ande­re Stand­or­te. Aus mit­tel­stän­di­scher Unter­neh­mer­sicht ent­schei­den ande­re Kri­te­ri­en über die Wähl­bar­keit: Ech­te Ver­ein­fa­chun­gen der Besteue­rungs­grund­la­gen, bei der Gewer­be- und der Umsatz­steu­er. Weni­ger Büro­kra­tie – bei der Sozi­al­ver­si­che­rung, in Pla­nungs­ver­fah­ren, bau­recht­li­chen Vor­schrif­ten. Zu Bewäl­ti­gung die­ser Auf­ga­ben müs­sen die Unter­neh­men einen eige­nen Ver­wal­tungs­kopf auf­bau­en oder immer teu­re­re Bera­tungs-Diens­t­­leis­tun­gen in Anspruch neh­men. Auf Kos­ten der Effi­zi­enz und der Preise.

Für die Pra­xis: Kein Par­tei­pro­gramm wagt sich dar­an, die Pro­ble­me anzu­spre­chen oder dafür kon­kre­te Lösun­gen anzu­bie­ten. Was tun? Wir wer­den an die­ser Stel­le natür­lich kei­ne Wahl­emp­feh­lung geben. Aber ganz all­ge­mein aus der Lebens­er­fah­rung kann man sagen: Es kommt in gehö­ri­gem Maße auf die Per­son an, die uns bzw. die Wirt­schaft ver­tre­ten. Wie sieht das in Ihrem Wahl­kreis aus? Wie kom­pe­tent sind die Ver­tre­ter der Par­tei­en? Wel­ches Gewicht geben Sie der „mit­tel­stän­di­schen“ Wirt­schaft? Machen Sie sich ein kon­kre­tes Bild davon. Am bes­ten vor Ort – bei der Prä­sen­ta­ti­on der Kan­di­da­ten. Hilf­reich > www.Abgeordnetenwatch.de. Unter­halt­sam: „Es ist Wahlk®ampf”.

Gesellschaftsrecht: Geschäftsführer sollte – muss aber nicht – die Gesellschafterliste vorlegen

Auch bei der Beur­kun­dung eines GmbH-Anteils-Erwerbs im Aus­land (vgl. Nr. 26/2013) ist der Notar ver­pflich­tet, das deut­sche Regis­ter­ge­richt über den Gesell­schaf­ter-Wech­sel zu infor­mie­ren (so z. B. OLG Düs­sel­dorf, Urteil vom 2.3.2011, 1–3 Wx 236/10; ande­rer Ansicht: OLG Mün­chen, Beschluss vom 6.2.2013, 31 Wx 8/13). Der Bun­des­ge­richts­hof wird in die­ser Rechts­fra­ge abschlie­ßen urtei­len (Akten­zei­chen des anhän­gi­gen Ver­fah­rens: II ZB 6/13). Für Sie als Geschäfts­füh­rer bedeu­tet das: Bevor Sie sich auf ein kom­pli­zier­tes gericht­li­ches Ver­fah­ren mit unge­wis­sem Aus­gang mit dem Regis­ter­ge­richt ein­las­sen, soll­ten Sie vor­beu­gend handeln.

Für die Pra­xis: Bei einer Beur­kun­dung einer Anteils-Über­tra­gung im Aus­land soll­ten Sie zusätz­lich eine aktua­li­sier­te Gesell­schaf­ter-Lis­te mit den neu­en Gesell­schaf­tern dem zustän­di­gen Regis­ter­ge­richt ein­rei­chen. Damit ist sicher­ge­stellt, dass Sie bei recht­li­chen Unklar­hei­ten um die Gesell­schaf­ter-Stel­lung aus der Haf­tung sind. 

Geld/Finanzen: SEPA-Umstellungs-Risiken werden von vielen Unternehmen unterschätzt

Auf die Umstel­lungs-Pro­ble­me auf SEPA (euro­päi­scher Über­wei­sungs­stan­dard) zum 1.2.2014 haben wir bereits hin­ge­wie­sen (vg. Nr. 25/2013). Jetzt haben auch die Ver­ant­wort­li­chen – sprich das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um (BMF) – erkannt, dass hier ein Cha­os droht. Im Unter­schied zu ELSTAM lässt sich das Ver­fah­ren aller­dings nicht kurz­fris­tig aus­set­zen oder verschieben.

Wich­tig für klei­ne­re Unter­neh­men: Ab 1.2.2014 dür­fen die Ban­ken Über­wei­sungs­auf­trä­ge und Ein­zugs­er­mäch­ti­gun­gen nur durch­füh­ren, wenn die Daten im SEPA-For­mat vor­liegen. Ist das nicht der Fall, darf die Bank die Über­wei­sun­gen nicht vor­neh­men. Umge­kehrt: Hat Ihr Gläu­bi­ger nicht kor­rekt umge­stellt, führt das dazu, dass Sie tage- und wochen­lang auf Ihr Geld war­ten müssen.

Für die Pra­xis: Dazu müs­sen alle Daten­sät­ze (Lohn­buch­hal­tung, Ein­zugs­er­mäch­ti­gun­gen usw.) geprüft und ange­passt wer­den. Die Sin­gle Euro Pay­ments Area (SEPA) hat Aus­wir­kun­gen auf alle betrieb­li­chen Berei­che (AGB, Ver­trä­ge, Wer­be­un­ter­la­gen, auch: Ein­kauf, Daten­schutz). Bei­spiel: U. U. müs­sen Ein­zugs­er­mäch­ti­gun­gen neu ein­ge­holt wer­den. Kun­den müs­sen vor der Ein­zie­hung 14 Tage vor­her unter­rich­tet wer­den usw.. Gibt es in Ihrem Unter­neh­men noch kei­ne Vor­be­rei­tun­gen auf das neue SEPA-Sys­tem, soll­ten Sie in den nächs­ten Wochen einen SEPA-Ver­ant­wort­li­chen benen­nen (aus der IT und/oder Rech­nungs­we­sen), der das Pro­jekt „SEPA“ über alle Unter­neh­mens­be­rei­che plant, beglei­tet und umsetzt. Wir berich­ten an die­ser Stel­le lau­fend zum The­ma, so dass Sie den Pro­jekt­stand und neue Erkennt­nis­se zum The­ma jeder­zeit über­prü­fen kön­nen. Hilf­reich: Die neu­en Zah­lungs­stan­dards, die offi­zi­el­len Bun­des­bank­in­for­ma­tio­nen zu SEPA

Konflikte in der GmbH: „Kleingedrucktes“ bestimmt Gesellschafter-Rechte 

Wird einer der GmbH-Gesell­schaf­ter per Gesell­schaf­ter­be­schluss oder per Gerichts­ur­teil aus der GmbH aus­ge­schlos­sen, tre­ten die Rechts­fol­gen erst ein, wenn die GmbH den Geschäfts­an­teil aus­zahlt. Hat die GmbH die Abfin­dung auf den Geschäfts­an­teil nicht bezahlt, blei­ben die Gesell­schaf­ter­rech­te bestehen. Im Klar­text: Der aus­zu­schlie­ßen­de Gesell­schaf­ter hat wei­ter­hin Anspruch auf sei­nen Gewinn­an­teil bzw. auf sein Stimm­recht. Der ein­zel­ne Gesell­schaf­ter hat damit eine Sicher­heit, dass er nicht „leer“ aus­geht. Laut Bun­des­ge­richts­hof (BGH) gilt das nur unter Ein­schrän­kun­gen. So kann z. B. im Gesell­schafts­ver­trag der GmbH ver­ein­bart wer­den, dass der Gesell­schaf­ter sei­ne Stel­lung sofort nach der Beschluss­fas­sung ver­liert, also noch vor Zah­lung der Abfin­dung (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8.12.2008, II ZR 263/07).

Für die Pra­xis: Aus Sicht der GmbH ist das eine durch­aus sinn­vol­le Mög­lich­keit, das „schnel­le“ Aus­schei­den z. B. eines que­r­elen­den Gesell­schaf­ters zu ermög­li­chen. Damit gewinnt die GmbH Zeit, nach einem neu­en Gesell­schaf­ter zu suchen, der den GmbH-Anteil über­nimmt. Oder die GmbH gewinnt Zeit, die Finan­zie­rung der Ein­zie­hung des GmbH-Anteils in Ruhe zu pla­nen und mit den finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten der GmbH abzu­glei­chen. Anders die Situa­ti­on für den aus­schei­den­den Gesell­schaf­ter. Er ver­liert sofort mit dem Aus­schluss alle Gesell­schaf­ter­rech­te und damit Sicher­hei­ten für den Fall, dass die GmbH für sei­nen Anteil nicht zahlt. Steht eine sol­che Klau­sel im Gesell­schafts­ver­trag der GmbH, bedeu­tet das eine kla­re Schlech­ter­stel­lung des Gesell­schaf­ters gegen­über der GmbH. Wol­len Sie sich an einer GmbH betei­li­gen, in deren Gesell­schafts­ver­trag eine sol­che Zah­lungs­ver­ein­ba­rung bei Aus­schei­den oder Aus­schluss besteht, ist Vor­sicht gebo­ten. Völ­lig abzu­ra­ten ist von einer Betei­li­gung dann, wenn zusätz­lich im Gesell­schafts­ver­trag ein stren­ges Wett­be­werbs­ver­bot für den Gesell­schaf­ter vor­ge­schrie­ben ist. Hilf­reich: GmbH-Gesell­schafts­ver­trag ‑Mus­ter

Betriebsprüfung: DR kündigt ab 2014 noch mehr Prüfungen für KSV-Beiträge an

Die Deut­sche  Ren­ten­ver­si­che­rung (DR) prüft Betrie­be auf KSV-bei­trags­pflich­ti­ge Aus­ga­ben (gra­fi­sche Leis­tun­gen, Bild­ho­no­ra­re usw.). Jetzt hat die DR ange­kün­digt, dass wei­ter in die Flä­che geprüft wird. Also nicht mehr nur noch Unter­neh­men, die auf­grund ihrer Ban­che in den Kreis der bei­trags­pflich­ti­gen Leis­tun­gen gehö­ren (Wer­be­agen­tu­ren, Inter­net-Design, Ver­la­ge). Danach wer­den alle Betrie­be, die von der DR rou­ti­ne­mä­ßig auf Bei­trags­pflicht zur Sozi­al­ver­si­che­rung geprüft wer­den, auch auf KSV-Bei­trags­pflicht geprüft. Außer­dem sol­len Unter­neh­men ver­pflich­tet wer­den, alle KSV-bei­trags­pflich­ti­gen Leis­tun­gen über das Jahr geson­dert zu erfas­sen (Quel­le: Sum­ma Sum­ma­rum 3/2013).

Für die Pra­xis: Danach müs­sen in Zukunft Unter­neh­men aller Bran­chen damit rech­nen, dass in den Berei­chen und Abtei­lun­gen, in denen erfah­rungs­ge­mäß KSV-Bei­trags­pflich­ti­ge Leis­tun­gen abge­ru­fen wer­den, bei jeder DR-Prü­fung ins Visier genom­men wer­den. Das sind z. B.: Tex­te und Gra­phi­ken für Wer­be­mit­tel, Image-Bro­schü­ren und Unter­neh­mens­be­rich­te. Aber auch Leis­tun­gen an Tex­ter und Gra­fi­ker, die Inter­net-Sei­ten und Inhal­te erstel­len. Wie wird das in Ihrem Unter­neh­men gehand­habt? Bes­ser ist es, wenn Sie sol­che Leis­tun­gen von ange­stell­ten Mit­ar­bei­tern, die ohne­hin in Ihrer GmbH sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig beschäf­tigt sind, erbrin­gen las­sen. Stel­len Sie sich dar­auf ein, dass Sie Rech­nun­gen vor­le­gen müs­sen und Abrech­nun­gen geprüft wer­den. Ent­schei­dend ist hier, wie die Leis­tung beschrie­ben ist. Ori­en­tie­ren Sie sich dazu an unse­ren Aus­füh­run­gen aus Nr. 6/2013 bzw. im Inter­net unter > www.kuenstlersozialkasse.de.

Geschäftsführer privat – Unfall ohne Fahrradhelm führt zu Mitverschulden

Wenn Sie mit dem Fahr­rad unter­wegs sind, müs­sen Sie in Zukunft mit einem wei­te­ren Risi­ko leben. Wer ohne Helm in einen Unfall ver­wi­ckelt wird, ris­kiert „Mit­ver­schul­den“. Und zwar auch dann, wenn nicht Sie son­dern ein ande­rer Ver­kehrs­teil­neh­mer Unfall­ver­ur­sa­cher ist (OLG Schles­wig, Urteil vom 5.6.2013, 7 U 11/12).

Für die Pra­xis: Der Unfall geschah – wie meis­tens – in völ­lig uner­war­te­ter Situa­ti­on. Der Pkw-Hal­ter öff­ne­te die Tür und der Fahr­rad-Fah­rer ohne Helm konn­te nicht mehr aus­wei­chen. Im Urteil um Scha­dens­er­satz, Kos­ten­über­nah­me und Schmer­zens­geld muss­te sich der Fahr­rad-Fah­rer eine Mit­schuld ein­räu­men las­sen. Mit­ver­schul­den­an­teil: 20 %. Nach die­sem Urteil soll­ten zumin­dest Viel­fah­rer unbe­dingt einen Helm tragen. 

Wettbewerb: Geldbuße selbst nach juristischer Fach-Beratung ist nicht zu beanstanden

Wird ein Unter­neh­men wegen wett­be­werbs­wid­ri­gem Ver­hal­ten von den EU-Kar­tell­be­hör­den mit einer Geld­bu­ße bestraft, muss die Stra­fe auch dann bezahlt wer­den, wenn sich das Unter­neh­men zuvor mit anwalt­li­chen Rat abge­si­chert dahin­ge­hend hat, dass das monier­te Markt­ver­hal­ten recht­lich nicht zu bean­stan­den ist. Die Stra­fe muss sogar dann bezahlt wer­den, wenn die inlän­di­schen Wett­be­werbs­be­hör­den gar kei­ne Geld­bu­ße aus­ge­spro­chen haben (EuGH, Urteil vom 18.6.2013, C‑681/11).

Für die Pra­xis: Wie­der eine neue Risi­ko-Situa­ti­on für deut­sche Unter­neh­men, die gegen (undurch­sich­ti­ge) EU-Wett­be­werbs­re­geln ver­sto­ßen. Im Urteils­fall war das Unter­neh­men als Kron­zeu­ge in Deutsch­land buß­geld­frei aus­ge­gan­gen. Die Stra­fe der EU-Behör­den muss es trotz­dem zahlen.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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